Samstag, März 12

Sturm

Das verspielte Säuseln des Windes drang wie im Traum durch das geschlossene Fenster herein. Die Dunkelheit hinter der dünnen Scheibe war vollkommen und fast erdrückend. Sie lies nicht einen kleinen Schimmer von dem erkennen, was da draußen in der Welt vor sich ging. Es schien als wäre die ganze Welt, alle Existenz und alle Geschehnisse auf diesen einen Raum beschränkt wären. Nichts war wahrhaftig.
Der Wecker in der Ecke zeigte kurz vor 2 Uhr und das zaghafte Licht der einzigen Lampe spiegelte sich auf der Oberflächliche einer schwarzen Flüssigkeit. Die Tasse war schon halb leer und der Kaffee kalt.
Er bemerkte weder den stechenden Schmerz in seinen fast blutenden Fingerkuppen, noch wie sich der Bettpfosten sein einer geschlagenen Stunde in seinen Rücken bohrte.
Vor ihm auf dem befleckten Laken lagen nur ein kleines, braunes Buch und ein kleiner, blauer Kugelschreiber.
Wörter zogen sich über die aufgeschlagenen Seiten des Buches, klar und deutlich und doch schienen sie vor seinen Augen zu verschwimmen.
Seine Hand bewegte sich in ruckartigen Bewegungen auf und ab, immer im Takt zu der Musik in seinem Kopf.
Er dachte nicht an die Nachbarn um ihn herum die es vielleicht stören könnte, er dachte nicht an all das, dem er sich aussetzte, er dachte an irgendetwas in der Zukunft. Er lebte nurnoch für diese eine Sache in seinen Armen.
Es war vieles das ihm wie ein Schleier auf der Seele lag. Vieles das unausgesprochen um ihn herumschwebte und ihn auf Schritt und Tritt verfolgte, ihn stets daran erinnernd, dass es noch da war. Und es war vieles das ihn beschäftigte, so vieles das immer da war und sich ihm aufdrängte, ihm geradezu in den Schädel sprang und anflehte doch bitte endlich bedacht zu werden, ganz gleich wie oft er sich dem schon hingegeben hatte.
Es war, als wäre er ein Fels in der Brandung. Von allen Seiten bedrängten ihn die Wellen. Von allen Seiten stürzten sie sich auf ihn und versuchten ihn unter sich zu begraben. Und doch konnte er sich stets noch gerade so über Wasser halten.
Der einsame Fels in der Brandung, ohne einen Blick auf Land zu erhaschen, den Wellen ausgesetzt, ihnen trotzend.
Aber in diesem einen Augenblick war es, als teilte sich das Wasser. Als wäre der Sturm nur für einen Augenblick still. Als hätte die ganze Welt den Atem angehalten, um ihm diesen Moment zu schenken.
Es war diese eine Sache die er SO unbedingt tun wollte. Es fühlte sich an wie eine Pflicht und zugleich wie eine Erfüllung. Ein Traum in dem man etwas tun muss, aber es das einzige ist, das man tun möchte.
Es war die eine Sache, die ihm diesen Moment schenkte. Diesen einen Moment Ruhe.
Und es war der Gedanke daran, was er damit erreichen könnte, der wie ein kleines Licht vor ihm durch den Sturm flog und ihm den Weg zeigte.
Nicht den ersehnten Weg ans ruhige Land, sondern den Weg zu neuen Ufern.
Doch ich frage dich:
Ist das Flucht ?